Johann Philipp Kirnberger (1721-1783)
Sammlung charakteristischer Tänze
Besetzung: 3 Kl.
Bearbeitung: Bernhard Kösling
Herausgeber: Musikverlag Hans Jürgen Eckmeier
Schwierigkeit: Fortgeschritten
ISBN 978-3-933172-74-7
ISMN M-700132-74-3
Die Noten sind beim Musikverlag Eckmeier erhältlich.
Johann Philipp Kirnberger wurde am 24.4.1721 in Saalfeld/Saale geboren. In frühester Kindheit bereits erhielt er Violin- und Klavierunterricht, gefolgt von der allgemeinmusikalischen Ausbildung bei Johann Peter Kellner und dem Bachschüler Heinrich Nikolaus Gerber. Von 1741-51 wirkte er in verschiedenen Anstellungen als Cembalist, Kapellmeister und Musiklehrer in Polen, danach ging er nach Deutschland zurück um Unterricht im Violinspiel zu nehmen, es folgte die Aufnahme in der preußischen Hofkapelle zu Potsdam als Violinist.1758 wurde sein breites Interesse und seine vielfältigen Fähigkeiten mit der Anstellung als Hofmusikus, Lehrer, Kapellmeister, Komponist nebst musikalischer Beraterfunktion für die Prinzessin Anna Amalia am Hof in Berlin gekrönt, diese Stellung hielt er bis zu seinem Tod am 27.7.1783 inne.
Schon zu Lebzeiten gelangte Kirnberger zu hohem Ansehen, dieses lag neben seiner musikalischen Tätigkeit im Wesentlichen an zwei großen Verdiensten: durch seine unerschöpfliche Sammelleidenschaft gelang es ihm unzählige zeitgenössische Werke in Druck und Manuskript zusammenzutragen und an einem Ort zu archivieren – es handelt sich hierbei um die zu trauriger Berühmtheit gelangte „Amalien-Bibliothek“. Zum anderen aber kann man auch seine theoretischen Schriften durchaus als sein Lebenswerk betrachten, so schrieb er in mehreren Teilen die „Kunst des reinen Satzes“ – hierin auch die Beschäftigung mit verschiedenen Stimmungsmöglichkeiten für das Klavier, die noch heute als „Kirnberger 1-3“ bekannt sind. Darüber hinaus verfasste er diverse Schriften zur Harmonie- und Formenlehre, außerdem veröffentlichte er zeitlebens Schriften zur Didaktik und Musikerziehung.
Die hier vorliegenden drei Suiten stammen aus der „Sammlung charakteristischer Tanzweisen als Musterstücke für junge Komponisten“, die im Jahr 1777 erschien. Es handelt sich im Original um eine Sammlung von 26 exemplarischen Stücken für ein Tasteninstrument. Anders als bei seinen berühmten Zeitgenossen versuchte Kirnberger nicht die einzelnen Tänze auszuschmücken, sondern er reduzierte den jeweiligen Typ auf das Wesentliche. Die einzelnen Stücke können teilweise aus dem Zusammenhang heraus genommen gespielt werden, manche Stücke hängen unmittelbar zusammen, jedem Spieler sei hier die Suche nach eigenen Kombinationen und Übergängen freigestellt. In diesem Sinne sind diese Suiten nur ein Vorschlag die Reihenfolge und Anzahl der zu spielenden Stücke betreffend.
In der Vorrede zu seiner „Sammlung charakteristischer Tänze“ schreibt Johann Philipp Kirnberger im Jahre 1777:
„Ein musikalisches Stück besteht, wie eine Rede, aus mehreren Perioden. Und so wie in der Rede, diese Perioden aus Sätzen, diese wiederum aus Wörtern bestehen, die aus längeren und kürzeren Silben zusammengesetzt sind, so besteht die musikalische Periode gleichfalls aus Einschnitten, diese aus Sätzen, welche aus längeren und kürzeren Noten zusammengesetzt sind, die entweder nur durchgehend, oder mit den ihnen eigenen stärkeren und schwächeren Akzenten angegeben werden.
Soll die Rede ihre gehörige Wirkung tun, so muss sie gut vorgetragen werden, und eben so erhält auch ein musikalisches Stück erst durch einen richtigen und guten Vortrag seine Schönheit.
Wie kann aber der Tonkünstler jemals gut vortragen, d.h. wie kann er in der musikalischen Periode jeden Einschnitt und jeden Satz hören lassen, auch jeden Akzent bezeichnen, wenn er nicht alle verschiedenen Arten der Einschnitte, und die jeder Art eigenen Akzente kennt.
Wie wird der Tonkünstler jemals gut vortragen, den gehörigen Ausdruck geben können, welchen sich der Komponist vorgesetzt hat, wenn er nicht, durch Hilfe der verschiedenen Arten Noten die darin vorkommen, genau zu bestimmen versteht, welche Bewegung und welcher Charakter jeder Taktart zukommt?
Um die zum Vortrag notwendigen Eigenschaften zu erlangen, kann jeder Tonkünstler nichts Besseres tun, als fleißig allerhand charakteristische Tänze spielen.“
1771 schreibt Kirnberger in der Vorrede zu seiner „Kunst des reinen Satzes“:
„Dem Liebhaber, der gern früh weit kommen will, werden manche durch die Erfahrung bestätigte Wahrheiten über die Musik trocken sein und seine Geduld fordern, indessen sind sie für diejenigen geschrieben, die die Musik ihrem ganzen Umfang nach erlernen, aus derselben ein wahres Studium machen, und die mit jeglichem Studium, besonders aber mit dem Ton und Gesang verbundene Wollust genießen wollen, für diese Freunde des Schönen werden sie nicht trocken sein; und der hat auch nicht das Süße verdient, der das Bittere nicht gekostet hat.“
Herkunft und Art der vorkommenden Tänze in der hier gewählten Reihenfolge:
Bourée
lebhafter Tanz im 4/4 oder 2/2 Takt meist mit Auftakt, im 16.Jhd. Hoftanz in Frankreich, später Wandlung zum Volkstanz in der Auvergne.
Forlane
aus Norditalien (Friauler) stammender flotter Tanz, der Gigue nicht unähnlich.
Passepied
Rundtanz meist im 3/8 Takt, ursprünglich aus der Bretagne.
Rigaudon
lebhafter Reihen- und Paartanz, im 17.Jhd. aus Volkstänzen der Provence entstanden.
Chaconne
im 16.Jhd. aus spanischem Volkstanz entstanden, oft mit 8-Taktigem Bass Ostinato.
Sarabande
gravitätischer Schreittanz, Ursprung ist Spanien oder Mexiko, oft Betonung auf der 2. Viertel, reiche Verzierungsmöglichkeit.
Rondeau
französischer Rundgesang mit Wurzeln im 13.Jhd., der sich wiederholende Teil (Ritornell) wechselt mit neuen Teilen (Couplet) hin und her.
Entrée
marschartig langsame Einleitung.
Courante
urspr. „die Laufende“, unter Louis 14. zum höfischen „danse très grave“.
Menuetto
altfranzösischer langsam gemessener 3/4 Takt, erst im späten 18.Jhd. zierlicher und schneller.
Gavotte
schneller Gesellschaftstanz aus der Bretagne, halbtaktiger Beginn.
Loure
langsamer Tanz aus der Normandie, vergleichbar mit Sarabande.
Canarie
schneller, der Gigue ähnlicher Tanz, wahrscheinlich von den Kanarischen Inseln über Spanien nach Frankreich gelangt.
Souabe
schlichter, einfacher, allemandenartiger Tanz, wahrscheinlich aus Schwaben.
Marche
Marsch, Ursprung allgemein militärisch.
Carillons
kommt aus den Niederlanden und Nordfrankreich, imitiert ein Kirchen- oder Turmglockenspiel.
Polonaise
feierlich breiter Schreittanz aus Polen, ab ca.1700 höfisch.
Corrente
entwickelt sich in Italien aus der Courante, ist aber saltarelloartig schnell.
Musette
gleichnamig mit französischen Oboen- und Dudelsackinstrumenten, ruhig
pastoral wiegend.
Allemande
deutscher Reigen- und Schreittanz, 4/4 auch 3/4 Takt, später entwickelt sich aus dem schnellen 3/4 Takt der Walzer.
Cosack
aus Osteuropa und Russland.
Gigue
entwickelt aus der irischen Jig („springen, hüpfen“), schneller 6/8 oder 12/8 Takt.